| Presse zu „Mein junges idiotisches Herz“:  Wohnbaustiege als JakobsleiterDer späturbane Sozialwohnbau markiert nicht erst seit Roland
                  Schimmelpfennigs „Die arabische Nacht“ eine besondere
                  Interessenssphäre der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik.
                  Vereinzelte und Verelendete leben auch in Anja Hillings gefeiertem
                  Erstling „Mein junges idiotisches Herz“ in anonymen
                  Wohnwaben nebeneinander her und entzünden aneinander ihr
                  Elend als undurchdringliches Gemisch aus Begehrlichkeiten und
                  empfindlichen Daseinsbetrachtungen – mit Fokus auf die
                  Sterblichkeit.
 Sterben muss im „Theater Kosmos“ jeder für sich
                  selbst: Rund um die fruchtsaftbegeisterte Diva Frau Schlüter
                  (Alexandra Maria Timmel) entfaltet die sechsköpfige Truppe
                  von Regisseurin Katrin Schurich eine sportive „Schäbigkeit“,
                  die sich auf konfettibestreutem Holztanzboden (Ausstattung: Stefanie
                  Stuhldreier) niemals zur Verdoppelung angedeuteter Zusammenhänge
                  versteigt, sondern Haltungen immer aus den je wechselnden Sprechsituationen
                  entwickelt.
 Eine wunderbar exakte Einübung in das Elend einer weitgehend
                  zerstörten Bürgergesellschaft; ein lapidar-lakonischer Überlebens-
                  und Betrachtungskampf.
 Der Standard, 24. 1. 2006
  Frau Schlüter würde ihrem Leben ganz gerne ein Ende
                    setzen, aber es kommt immer was dazwischen: die Menschheit. Im
                    KosmosTheater ist „Mein junges idiotisches Herz“ von
                    der dreißigjährigen deutschen Dramatikerin Anja Hilling
                    zu sehen. Dass die Kritiker der Theater heute-Umfrage sie gerade
                    zur Nachwuchsautorin der Saison gemacht haben, geht sehr in Ordnung,
                    denn ihr Text bringt es sprachlich und dramaturgisch ziemlich
                    auf den Punkt. Gleiche Situationen werden hintereinander aus
                    verschiedenen Perspektiven erzählt, was für die Regisseurin
                    Katrin Schurich diesmal eine mittlere Herausforderung bedeutet
                    hat. Und obwohl hier viel monologisiert wird, meistert das junge
                    Ensemble mit viel Körpereinsatz auch schwierigste Passagen;
                    manchmal hätte man sich vielleicht zwischen Naturalismus
                    und Sprachspiel deutlicher entscheiden müssen, und dass
                    das furios-punkige Finale so kurz ausfällt, zeugt von
                    Understatement.Falter, Nr. 4/06
  „Hoffnung“ Anja HillingVom deutschen Feuilleton wurde sie als Hoffnung gekrönt,
                      vor kurzem war sie bei Werkstatt-Tagen im Burgtheater zu Gast:
                      Anja Hilling, geboren 1975, wurde von einem deutschen Theatermagazin
                      zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt. Das Kosmos-Theater
                      zeigt nun „Mein junges idiotisches Herz“ als Erstaufführung.
 Ein Haus mit bunt zusammengewürfelten Bewohnern: In zwei
                      Stunden brechen Ängste, Nöte, Albträume, Fantasien
                      hervor. Das Leiden einsamer Seelen. Abgekapselt von der Welt
                      schweigen sechs Personen, um dann doch in einem grotesken Tanz
                      aufeinanderzustoßen.
 Bühnenbildnerin Stefanie Stuhldreier stellt einen Tisch
                      auf und verteilt überall Konfetti, zerfetzte Luftschlangen,
                      verknautschte Pappbecher. Die Party ist vorbei!
 Hilling erzählt eine Menge Geschichten mit querlaufenden
                      Handlungslinien, Story-Elemente aus verschiedenen Blickwinkeln,
                      Schnitt-Technik wie im Film. Langsam, etwas inflationär!
                      Ein Hauch von Bühnenkünstlichkeit haftet doch an allem,
                      vor allem am Humor. Mehr noch: Das Spiel mit Blitzlichtern lässt
                      den Wunsch nach einer durchgängigen Geschichte wachsen.
                      Immerhin: „Mein junges idiotisches Herz“ ist ein
                      Stück, das selbst auf Mini-Spielflächen spielbar ist,
                      das von Katrin Schurich sauber inszeniert wurde, das von Alexandra
                      Maria Timmel bis Pilar Aguilera souverän gebracht wird.
                      Ein Wiedersehen mit Hilling gibt`s im März im Burgtheater.
 Kronen Zeitung, 19. 1. 2006
  Keine Leiche um dreiKosmos: Erstaufführung von Anja Hilling
 „Um drei und zwar pünktlich“ wollte Karin Schlüter „eine
                        tragische Frau“ sein. Keine blasse Tote. Rote Backen,
                        rotes Kleid. Es kommt anders. Der Postbote, ein Paket
                        für den
                        Nachbarn mit Kängurus drauf, der Hausmeister unter
                        der tropfenden Spüle. Miroslav, der Fruchtsaftlieferant,
                        hätte die
                        schöne Leiche finden sollen. Doch um drei hängt
                        Karin kotzend über der Kloschüssel. „Mein
                        junges idiotisches Herz“ von Anja Hilling – Theater
                        heute kürte
                        sie zur Nachwuchsautorin des Jahres – als Österreichische
                        Erstaufführung im KosmosTheater.
 Das Stück ist als Erinnerungsreise konzipiert, jede Figur
                        schildert ihre Sicht der Geschehnisse, liefert ein neues Puzzlestück
                        an Eindrücken. Die Realität liegt irgendwo dahinter.
                        Anja Hillings Sprache ist prägnant und humorvoll. Katrin
                        Schurich gibt in ihrer Inszenierung dem Text viel Raum, könnte
                        ihm aber noch mehr vertrauen. Der Wechsel der Wirklichkeitsebenen
                        ist abwechslungsreich, auch das Surreale hat Platz. An Details
                        und Gesten wäre weniger mehr gewesen. Das Ensemble: Helmut
                        Bohatsch als rockig-romantischer Postler, Pilar Aguilera als
                        intensiv traumatisierte Paula, Rainer Doppler als verliebter
                        schwuler Hausmeister, Alexandra Maria Timmel als tragisch verhinderte
                        Selbstmörderin, Sven Kaschte als verklemmter, verzweifelter
                        Nachbar und Michael Smulik als fescher Miroslav.
 Kurier, 19. 1. 2006
  Der Tod, das Herz und das MädchenKarin Schlüter hat zum Sterben ein rotes Kleid angezogen,
                          da klingelt der Postbote und sie soll für den Nachbarn ein
                          Päckchen übernehmen. Das ist nur der Beginn einer Reihe
                          von Aufeinandertreffen einsamer Seelen in einem Mietshaus, die
                          Frau Schlüter vom Sterben abhalten.
 „Mein junges idiotisches Herz“, nun in einer Inszenierung
                          von Katrin Schurich im Wiener KosmosTheater zu sehen,
ist ein Stück, das vom Alleinsein in der Nachbarschaft, von Kommunikationslosigkeit
                          in Gesprächen erzählt und dennoch Hoffnung
                          aufblitzen lässt. Die Autorin Anja Hilling, die
                          an der Berliner Universität
                          der Künste studiert, 2005 bei der Kritikerumfrage
                          der Zeitschrift „Theater
                          heute“ zur Nachwuchsautorin der Saison gekürt
                          und im selben Jahr zu den Werkstatttagen des Burgtheaters
                          eingeladen
                          wurde, hat Figuren voller Sehnsucht und Wärme
                          geschaffen.
 Da ist eben Karin Schlüter (Alexandra Maria Timmel),
                    die genug hat von den Menschen. Helmut Bohatsch als melancholischer
                          Postbote mit Herzinsuffizienz, der von Zeiten träumt,
                          als das Leben „easy going“ war und er seine – nun
                          dauerpuzzlende – Hanna im Regen geküsst
                          hat. Ein Hausmeister namens Zarter (Rainer Doppler),
                          der von Helga auf Kurt und von
                          Fruchtsaft auf Wasser umgestiegen ist. Ein Nachbar
                          namens Sandmann (Sven Kaschte), der sich Nacht für
                          Nacht in die australische Wüste träumt. Der
                          Getränkelieferant Miroslav (Michael
                          Smulik), der hungrig ist nach einem Leben jenseits
                          seiner bulimiekranken Freundin, und Pilar Aguilera
                          als Paula Lachmär, eine Mieterin,
                          die seit 69 Tagen kein Wort gesprochen hat und sich
                          vollends dem Gulaschkochen widmet. Ganz normal verrückte
                          Personen mit ganz normalen Berufen, die Träume
                          haben, sich einer poetischen, bildhaften Sprache bedienen
                          und dabei glaubwürdig
                          bleiben. „Das waren Töne“, sagt Frau
                          Schlüter. „Für
                          einen Hausmeister.“s
 Die Inszenierung, eine Koproduktion von „Die Schwimmerinnen" und
                          KosmosTheater, geht weniger in die Tiefe als der Text, zeichnet
                          sich aber durch viele kleine überraschende Momente aus:
                          etwa wenn Rainer Doppler als wasseraffiner Hausmeister sein Trinken
                          aus der Wasserflasche in eine wilde Dusche verwandelt. Die DarstellerInnen
                          machen die Monologe, die zu Dialogen werden, lebendig – vor
                          allem Pilar Aguilera, die die traumatisierte Paula Lachmär
                          voller Energie und Gefühl spielt. Etwas straffer hätte
                          die Inszenierung sein können, aber langweilig wird es nicht – einerseits
                          durch Wortwitz, Weisheit und Poesie des Textes, andererseits
                          durch das spielfreudige Ensemble.
 DieUniversitaet-online.at, 18. 1. 2006
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