Presse zu „Die
Dummheit“:
Leere Bilder und volle Koffer
„Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit“ – dieses
Foucault-Zitat wird hier sogleich unter Beweis gestellt. Fünf
Geschichten auf einmal rasen am staunenden Publikum vorbei.
Verhaken sich ineinander, trennen und vernetzen sich.
Irgendwann zwischen den 80ern und heute treffen in den Motels
und Vorgärten von Las Vegas 24 Menschen aufeinander. Sie
sind Jäger und Gejagte, wollen alle mehr vom Leben.
Die Habgier und den Geiz umkreist „Die Dummheit“ des
argentinischen Autors Rafael Spregelburd – die sieben
Todsünden der Heptalogie des Hieronymus Bosch bringt er
Stück für Stück auf die Bühnen.
Wie jetzt im Wiener KosmosTheater Teil vier unter der Regie
von Katrin Schurich auf rasante, reizvolle Weise.
In einem wilden Karussell wirbeln die Lebensgeschichten umher:
Die des Wissenschaftlers Finnegan, dessen Sohn die Forschungen
des Vaters zu Geld machen will. Die einer Spielergemeinschaft,
die zusammen das Casino knacken will und dabei nicht recht
glücklich wirkt.
Die zweier schwuler Sheriffs, die die Liebe suchen, aber einen
Geldkoffer mit einer halben Million Dollar finden. Die eines
erfolglosen Schauspielers, der ohne seine kranke Schwester
seiner Meinung nach auch mehr Erfolg bei Frauen hätte.
Und die eines Gaunerpärchens, das ein leeres Bild verkaufen
will.
Das anfangs verwirrende Who is Who der 24 Rollen kann zum Glück
im Programmheft mitverfolgt werden. Die Gestaltung durch die
fünf (!) Schauspieler löst allerdings schon bald
alle Wirren.
Grandios und teils sehr komödiantisch switchen Marie-Christine
Friedrich, Barbara Gassner, Georg Reiter, Christian Strasser
und Sebastian Wendelin die Charaktere, wechseln in Sekunden
Kostüme, Launen und Frisuren. Mit einer Dynamik, die den
fast dreistündigen Abend richtig kurzweilig macht.
Rasantes Vergnügen.
Wiener
Zeitung, 19. 1. 2007
Die traurige Jagd nach dem irdischen
Glück
Nach der „Appetitlosigkeit“, der „Überspanntheit“ und
der „Bescheidenheit“, ist „Die Dummheit“,
letzte Woche erstmals in Österreich aufgeführt, der
vierte Teil der Heptalogie des Hieronymus Bosch, ein Zyklus,
in dem der argentinische Autor die tradierten Todsünden
reflektiert. Diesmal geht es um Habgier und Geiz, passend dazu
setzt sich der Schauplatz aus Motelzimmern in der Gegend von
Las Vegas zusammen. In zahlreichen Erzählsträngen,
unzähligen, meist knapp inszenierten Szenen (Regie: Katrin
Schurich) spielen sich fünf Schauspieler, allen voran
ein unwahrscheinlich köstlicher Sebastian Wendelin und
eine äußerst souveräne Barbara Gassner, in
mehr als zwanzig Rollen der Verausgabung entgegen.
Allen Figuren gemein ist die zunehmende Verzweiflung, mit der
sie ihren Vorstellungen irdischen Glücks hinterherjagen.
Officer Wilcox (Wendelin) liebt seinen Kollegen Zielinsky (Georg
Reiter), irgendwie will eine Beziehung aber nicht richtig anlaufen.
Emma (Gassner) und Richard (Christian Strasser) wollen ein
Bild verkaufen, das es nicht gibt, und das möglichst Gewinn
bringend, und Susan (Marie Friedrich) will ihre gescheiterte
Ehe vergessen.
Ein wunderbarer Zusammenschnitt über die skurrile Tragik
des Versagens.
Der Standard, 23. 1. 07
Der argentinische Autor Rafael Spregelburd hat mit „Die
Dummheit“ ein Stück über die vierte der sieben
Todsünden („avaritia“=Habgier) geschrieben,
und er bezieht sich dabei auf Hieronymus Bosch, der in seiner
gemalten pessimistischen Vision des Jüngsten Gerichts
fast die gesamte Menschheit zu einer ewigen Folge von gefinkelten
Foltermethoden in Ahndung der begangenen Untaten verurteilte.
Spregelburds Höllentreiben ist in Las Vegas angesiedelt,
wo Reichtum besonders nah zu sein scheint. Die österreichische
Erstaufführung findet derzeit im KosmosTheater (bis 3.
2.) statt. Die Träume und Ängste der Protagonisten
sind allesamt wie auf eine leere Leinwand gebannt, um deren
wahnwitzigen Verkauf es unter anderem auch geht. Das Tempo
der Handlung würde eigentlich ein Road Movie verlangen,
kommt aber auch in den rasanten Rollen- und Kostümwechseln
gut rüber. Vor allem bis zur Pause fesselt und amüsiert
das heftige Treiben auf der Bühne – manchmal sogar
an zwei Schauplätzen nebeneinander. Das Ende bringt natürlich
keine Erlösung, denn wie bei Bosch werden nur ganz wenige
gerettet.
Falter 4/07
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